Starthilfe: Auf Fels gebaut
Nach dem Artikel "Warum Pfarrmedien?" wissen wir, warum wir Menschen mit Pfarrmedien ansprechen sollen, und wir haben vielleicht schon ein Gefühl, welche man wofür einsetzen kann. Jetzt ist die Versuchung groß, gleich ein Layout zu zeichnen oder sich in sonstige Details zu stürzen. Doch dann würden wir unser Haus auf Sand bauen, und beim ersten Zwischenfall könnte es einstürzen.
Denn nun sollten wir definieren:
- wer wir sind, denn Pfarren sind sehr verschieden,
- was wir wollen, also unsere Ziele,
- was wir bisher kommunizieren, also unsere Öffentlichkeitsarbeit, und
- wen wir erreichen wollen.
Schließlich soll unser (Medien-)Haus auf Fels gebaut sein und allen Stürmen standhalten.
Wer wir sind
Auf die Frage „Wer ist Ihre Pfarre?“ haben Sie vielleicht sofort eine Antwort, aber die kann leicht falsch sein. Äußerlich ist die Pfarre sicher leicht zu beschreiben (Gebäude, Pfarrgrenzen, Leitung,…), aber die Einstellungen, die Denkmuster, die Kultur liegen tiefer.
Beispielsweise könnte der neue Pfarrgemeinderat aufgrund vieler Ideen die Pfarre für innovativ und dynamisch halten. Aber viele Menschen haben den davor lange anhaltenden Stillstand in Erinnerung und würden die Pfarre eher als altbacken oder langweilig beschreiben. Oder eine Pfarre hält sich selbst für unattraktiv, während die „Leute draußen“ die lebendigen Predigten des Pfarrers schätzen.
Womit wir bei Selbstbild und Fremdbild angekommen sind.
Selbstbild
Ein Ansatz zur Einordnung von Menschen in Lebensmilieus ist Ihnen vielleicht bekannt: die so genannten Sinus-Milieus, benannt nach dem deutschen Sinus-Institut. Die Milieus berücksichtigen die soziale Lage – von sozialer Ober- bis Unterschicht – und die Grundorientierung – von traditionell bis neuorientiert. Daraus hat Sinus zehn Milieus definiert mit unterschiedlichen Möglichkeiten und Wünschen.
Gute Nachricht für Sie: Die Pastoralämter aller Diözesen haben diese Studie gekauft, somit kann jede Pfarre in Österreich die genaue Zusammensetzung ihres Pfarrgebietes bekommen. Bitte wenden Sie sich an das Pastoralamt Ihrer Diözese!
Ein zweiter Ansatz ist die so genannte Lebensführungstypologie (LFT), entwickelt von Marius Stelzer (Abteilung Pastoral in der Diözese Münster) und Marko Heyse (Geschäftsführer am Institut für Soziologie der Universität Münster). Ihr Schwerpunkt liegt auf der Anwendung der Milieuforschung sowohl für die pastorale Praxis als auch die Fortbildung für pastorales Personal. Ihre Arbeit führte zur Beschreibung einer Lebensführungstypologie, die im Alltag der Pfarren nutzbar gemacht werden kann.
Die Kenntnis der Sinus-Milieus ist dazu Ausgangspunkt, diese allein reicht aber noch nicht für eine nachhaltige Umsetzung milieusensibler Pastoral, ist ihre Überzeugung. Milieus haben unterschiedliche Zugänge zum kirchlichen Leben. Sie versuchen, diese Unterschiedlichkeit konstruktiv aufzunehmen.
Beginnen Sie mit sich selbst: Wie beschreiben Sie sich selbst als Person? Eine Hilfe dabei kann der nebenstehende Fragebogen sein. Aus Ihren Antworten – und vor allem aus der Summe der Antworten möglichst vieler MitarbeiterInnen der Pfarre – sehen Sie eine Tendenz: einerseits eher bewahrend oder eher verändernd und andererseits eher bescheiden oder eher gehoben.
Neben den Sinus-Milieus können Zielgruppen also auch nach der „Lebensführungstypologie“ (LFT) eingeteilt werden (siehe Seite 20). Auch die BewohnerInnen Ihrer Pfarre. Die Milieus schauen etwas anders aus als bei Sinus, werden aber ebenso auf Basis der „Geo-Daten“ – das sind geografische bis ins kleine Einheiten vorhandene Bevölkerungsdaten – gebildet. Quelle: www.milieuforschung.de.
Fremdbild
Dem gegenüber steht das so genannte Fremdbild, also wie einen die anderen Leute sehen. Das darf einer Person egal sein, einer Pfarre nicht. Denn sie ist Teil des mystischen Leibes Christi, die konkret gewordene Botschaft, die Menschen zu Gott führen soll. Und damit hängt das Fremdbild jeder Pfarre von dem der Kirche insgesamt ab.
Kirche
Wenn Sie Meinungen über die (katholische) Kirche einholen, werden Sie von zehn Befragten elf verschiedene Antworten hören. Das ist auch klar, weil jeder Mensch schon irgendwelche persönliche Erfahrungen gemacht hat.
Eine allgemein gültige, repräsentative Darstellung des Fremdbildes unserer Kirche hat die Erzdiözese Salzburg im Jahr 2017 veröffentlicht. Sie heißt „Reputationsstudie der katholischen Kirche“ (online hier nachzulesen). Einige wichtige Erkenntnisse:
- Von der Kirche hört man viel Organisatorisches, wenig Frohe Botschaft.
- Positive Imagefaktoren sind Gemeinschaft, Caritas, Sinnstiftung.
- Verstöße (Missbrauch usw.) belasten die Reputation.
- Die Kirche kann ihre Inhalte im Alltag nicht zeitgemäß und glaubwürdig vermitteln.
- Zu viele Verhaltensregulierungen („Verbote“) prägen das Profil der katholischen Kirche bei den Menschen und weniger die spirituellen Glaubensinhalte („Angebote“).
- Je stärker die persönlichen Bezugspunkte mit der Kirche verloren gehen, desto relevanter werden die Kirchenbilder in den Medien.
- Die Bevölkerung gibt ein klares Votum für eine Öffnung der katholischen Kirche ab, wenngleich die Reformfähigkeit angezweifelt wird.
- Trotz allem wird der Kirche auch in Zukunft ein fester Platz in der Gesellschaft attestiert.
- In Medien dominieren – abgesehen von Skandalen – routinehaft wiedergegebene Kirchenereignisse. Die christliche Ethik aber bleibt im Hintergrund und wird kaum an aktuellen Ereignissen „zum Leben erweckt“.
- Die Kirche würde an Kontur gewinnen, wenn sie sich auf der Basis ihrer christlichen Ethik mutiger in den gesellschaftlichen Diskurs einmischen würde. Denn die christliche Ethik ist ein positiver Reputationstreiber.
Einer der Studienautoren, Mihal Djukic von der Universität Salzburg, mahnt daher im Gespräch mit dem Kärntner „Sonntag“ mehr Mut ein: „Christus wird nicht zu einem Thema gemacht. Das ist überraschend, weil viele Menschen der Kirche eine hochattraktive Basis zuschreiben. Vor allem der Wert der Radikalisierung der Liebe überzeugt viele Menschen.“
Pfarre
Wie wird nun Ihre Pfarre gesehen? Da werden oft Einzelmeinungen für repräsentativ gehalten. Besser ist es, viele Menschen zu befragen. Mit Hilfe einer Pfarrversammlung oder – noch breiter – mit einer Umfrage im Pfarrblatt oder auf der Pfarrwebsite. Ein Muster für einen Fragebogen finden Sie im Anhang.
Aus den Ergebnissen der Umfrage und den Vorgaben des Leitungsteams lässt sich ein Pfarrprofil erstellen. Viele solche finden Sie im Internet unter dem Suchbegriff „Pfarrprofil“. Ein Beispiel gibt es hier online.
Was wir wollen
Nun lässt sich sehr gut ein Leitbild der Pfarre erstellen. Es zeigt, wie sich die Pfarre sieht, was sie will und ihre Verbindung mit Gott. Wenn Ihre Pfarre keines haben sollte, versuchen Sie es mit Pfarrer und PGR zu initiieren! Beispiele für Leitbilder von Pfarren finden Sie im Internet zuhauf, wenn Sie in Ihre Suchmaschine „Leitbild Pfarre“ eingeben.
Pastoralkonzept
Ein Pastoralkonzept hält den Stand der pastoralen Aktivitäten in einer Pfarre und die Ziele der pastoralen Entwicklung schriftlich fest. Es kann mit wenigen Bausteinen erstellt werden. Und zwar in drei Schritten: sammeln, überprüfen und entwickeln. Eine Anleitung gibt Ihnen gern Ihr Pastoralamt.
Scheuen Sie sich nicht, gute Beispiele für Ihre Pfarre zu adaptieren, denn „gut geklaut ist besser als schlecht erfunden“!
Was wir sagen
Status Öffentlichkeitsarbeit
Nun haben Sie Status und Ziele Ihrer Pfarre beschrieben. Schauen Sie jetzt kritisch an, was Sie in der Öffentlichkeitsarbeit tun – und wie Sie es tun. Welche Medien haben Sie, wie gut kommen sie an, wen erreichen sie usw.
Spätestens dabei fällt Ihnen so manches auf, was Sie – oder andere Verantwortliche – vielleicht künftig anders machen wollen. Dann formulieren Sie die Ziele Ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Möglichst konkret und im Idealfall messbar.
Ziele
Solche Ziele können die Ausstattung Ihrer Medien betreffen (vom Inhalt des Pfarrblatts bis zum Design der Website), die Ressourcen (neue MitarbeiterInnen begeistern) oder die Zielgruppe, die Sie ansprechen (z.B. junge Familien).
Wen wir erreichen wollen
Sie meinen: Dumme Frage, alle natürlich! Tja, so einfach ist das leider nicht. Wir haben schon gesehen, wie verschieden Menschen sind. Der österreichische Werbe-Guru Mariusz Jan Demner hat das einmal so ausgedrückt: „In der Zielgruppe ‚Alle‘ ist niemand zu Hause.“
Nehmen Sie sich also bestimmte Zielgruppen – zum Beispiel aus den obigen Typologien – vor, die Sie ganz besonders oder mit bestimmten Angeboten erreichen wollen. Ja, es hilft nichts, Sie müssen auswählen! Welche Sie auswählen, hängt möglicherweise auch mit dem Pastoralkonzept zusammen: Wo setzen wir unsere pastoralen Schwerpunkte? Z.B. wenn wir uns auf Kinderarbeit konzentrieren, hat es keinen Sinn, Etablierte und Konservative zuerst anzusprechen, ...
Oder ein reales Beispiel: Die Canisiuspfarre in Wien 9 hatte sich vorgenommen, die schwierige Gruppe „Digitale Individualisten“ via Instagram zu erreichen. Daraus entstand „Canisiyouth“.
Starkes Fundament
Sie sehen schon, Öffentlichkeitsarbeit hat viel mit Seelsorge, mit Pastoral zu tun. Denn das Reden und das Tun müssen übereinstimmen. Wenn Sie in Ihrer Pfarre die hier beschriebenen Schritte gehen, dann sind Sie gerüstet für eine zielgerichtete, einladende und inspirierende Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Haus ist auf Fels gebaut.
Text: Peter Morawetz