Alles, außer langweilig
Kurz gesagt
Was heißt Storytelling? Kurz gesagt: Geschichten neu und anders erzählen. Unter „Storytelling“ versteht man ein systematisches Verfahren, das durch dramaturgische Strukturen Inhalte mit Emotionen auflädt und Informationen in einer Art und Weise „erzählt“, dass sie im Gedächtnis der Zuhörenden bleiben.
Denken Sie an Geschichten wie „Von der Tellerwäscherin zur Millionärin“ oder „Aus. Schluss. Fertig. So stieg ich aus und fand meinen Weg.“ Menschen erzählen, wie sie aus ihrem Erstberuf ausstiegen, eine Fortbildung besuchten und nun einen Beruf ausüben, der sie erfüllt. Menschen erzählen, wie sie von einer Minute auf die andere erkannten, dass sie in Beziehungen feststeckten. Sie entschieden sich für die mutige Veränderung, wollten nicht im altbekannten Frust verharren, standen auf und beschritten neue Wege.
Geschichtenaufbau nach der Methode „Storytelling“
- Die Geschichte beschreibt eine Heldin, einen Helden. Diese/r lebt bzw. befindet sich in einem Konflikt, den es zu lösen gilt. Am Ende sind die HeldInnen glücklicher als zuvor. Sie haben sich, haben Lebensumstände „besiegt“.
- Jede Geschichte handelt von Weiterentwicklung. Verändern sich die HeldInnen, verändert sich auch ihr Umfeld, ihre Mitwelt.
- Sowohl die Ausgangssituation wie der Weg der Veränderung müssen glaubwürdig sein. Die missliche Situation der HeldInnen muss für die LeserInnen bzw. ZuhörerInnen erfassbar sein: Ja, das kennt man. So ging es mir auch. Genau so! Die Konflikte sind also nachvollziehbar und bewältigbar.
- Sobald dieser Kontakt geknüpft ist, folgen die ZuhörerInnen/LeserInnen den Erzählenden: Die Grundaussage steht am Schluss, der Weg bis dahin wird mit Spannung gemeinsam bewältigt.
Aufbau einer Geschichte
- Einführung. Sie definieren die Rahmenbedingungen, in denen die Geschichte spielt: Vom Pferdekutscher zum Theologen – eine wahre Geschichte. Sie definieren mit den W-Fragen wer, wo, was, wie, wann, warum den Erzählrahmen. Der Pferdekutscher aus dem Salzburger Flachgau steht mit seinem Fuhrwerk am Residenzplatz, unmittelbar neben dem Dom. Manchmal huscht er schnell ins Gotteshaus. Er beobachtet mehrere Jahre lang die Menschen, die GottesdienstbesucherInnen, die SalzburgerInnen, die TouristInnen. Dieser Held ist sympathisch, tierlieb, ein guter Menschenbeobachter.
- Wendepunkt 1. Ein Konflikt tritt auf. Der Besitzer des Fuhrwerkes quält die Pferde, behandelt sie und den Pferdekutscher schlecht. Er ist der ausgewiesene Böse, der unserem Helden, den wir jetzt schon alle sehr gern haben, Böses will. Er beschuldigt ihn, schlechte Arbeit zu leisten. Der Kutscher widerspricht, überlegt Alternativen, beginnt Gespräche mit seinen KollegInnen und seinen Bekannten im Dom.
- Der Höhepunkt. Pferdebesitzer und Kutscher geraten in Streit, es geht dabei um Tierschutz und Ausbeutung. Der Kutscher spielt nicht mehr mit, er droht mit seiner Kündigung.
- Wendepunkt 2. Der Kutscher lernt einen Chorsänger kennen, der ihn ermutigt, ebenfalls diesem Chor beizutreten. Der Kontakt zur Kirche wird dadurch enger, der junge Mann beginnt, die Bibel zu studieren. Er ist fasziniert und auch bereit, für seine Ideale einzustehen. Den Pferdebesitzer sieht er nicht mehr als Feind, er führt die Gespräche mit ihm freundlicher und versucht dessen Unternehmer-Standpunkt zu verstehen.
- Schluss. Der Kutscher hat die Matura am zweiten Bildungsweg erworben, er studiert Theologie, freut sich darauf, in der Seelsorge zu arbeiten. Am Wochenende arbeitet er noch immer für den Unternehmer. Sie sind keine Freunde geworden, aber hören einander besser zu.
Ganz normale Held:innen
Lassen Sie sich Zeit, die Held:innen zu konzipieren. Es geht nicht um „Superheld:innen“, sondern um Menschen, die aufgrund von Konflikten reifen und in diesem Reifungsprozess auch andere Menschen zur Weiterentwicklung inspirieren. Erzählen Sie die Reisen von Heldinnen und Helden. Wie lernte X in nur zwei Jahren Deutsch? Welche Wandlung, welche Konflikte erlebte X? Wer begleitete ihn und lernte dabei viel dazu?
Welche Stationen durchlief die Krankenhausseelsorgerin? Welches Ereignis brachte sie dazu, ihren Erstberuf, Steuerberaterin, aufzugeben? Wie reagierte ihr damaliges Umfeld, was veränderte sich in diesem Umfeld durch diese Entscheidung?
Lassen Sie sich vom Begriff „Held“ bzw. „Heldin“ nicht abschrecken. Es ist heldenhaft, Sicherheiten aufzugeben, wegzugehen, neue Wege zu beschreiten. Aber es ist auch heldenhaft, zu bleiben und an Ort und Stelle für Veränderungen zu sorgen.
Märchen zu lesen ist übrigens eine gute Inspiration des Storytellings.